Das Erste, was man bei dem in diesem Beitrag vorgestellten Buch wahrnimmt, ist die grelle, Aufmerksamkeit-weckende Aufmachung mit orangener Signalfarbe und einer weichen, mattierten Einbandfolierung. Dies hat mich alleine schon so fasziniert, dass ich neugierig war, um was es sich bei dem Buchprojekt „8000 München 70“ von Martin Liebl handelt.
Über den Autor:
Martin Liebl ist Mediengestalter, studierte Amerikanistik und betreibt nebenher Fotografie. Sein Schwerpunkt ist die Dokumentation, zum Beispiel bei seinen Hochzeits– und Familienreportagen. Auch bei seinen freien Projekten möchte er den Moment, die Situation und den Augenblick festhalten. Auf seiner Website stellt er verschiedene seiner Fotografie-Projekte vor.
Über das Buch:
Wie bereits erwähnt, das Auffälligste ist sicher die Farbe und die Haptik, wenn man das Buch in die Hand nimmt. Zumindest bei mir weckte es Neugier. Der Titel „8000 München 70“ erinnert (die Älteren) an eine frühere Anschrift auf Briefumschlag. Martin Liebl erklärt die Idee seines Buches im Vorwort. Zwischen seinem persönlichen Lockdown im Rahmen einer Depressions-Erkrankung und dem allgemeinen Lockdown im Frühjahr 2020 hat Martin Liebl seine Umgebung im Süden von München während Spaziergängen beobachtet und in Form von Fotos festgehalten. Aus dieser Bildersammlung hat Martin einen rund 100 Seiten umfassenden Bildband erstellt. Die Bilder würde ich in die Kategorie Streetfotografie einordnen, sie zeigen Momentaufnahmen aus den Straßen Münchens. Kleine Momente, die den Alltag zeigen, wie zum Beispiel achtlos weggeworfenen Gegenstände, Sprüche auf Hauswänden oder (meist trist imponierende) Stadtarchitektur. Die Bilder beweisen ein ausgezeichnetes Auge von Martin Liebl, da findet man in den Fotos zum Beispiel als wiederkehrendes Element die gleiche Farbe, oder das gleiche geometrische Element. Auch bei den Fotografien von Kritzeleien auf Hauswänden zeigt der Fotograf eine gute Wahrnehmung. Mit dem Wissen, dass die Bilder während und zur Bewältigung seiner Depression entstanden, paßt ein Spruch wie zum Beispiel „Ich will wieder lernen auf meine Bedürfnisse & Gefühle zu hören“, der flüchtig auf einen Zaun geschrieben wurde, sehr gut und verdeutlicht die Stimmung des Fotografen zum Zeitpunkt der Aufnahme.
Alle Farb-Fotografien sind leicht entsättigt und werden im Quer- und Hochformat großformatig in dem quadratischen Buch präsentiert.
Zwischen den Fotografien erläutern Doppelseiten mit ausführlichen Texte das momentane Seelenleben des Fotografen. Als Mediengestalter verwendet Martin Liebl dabei auch für die Texte noch zusätzliche, doppeldeutige Gestaltungselemente: so sind die Buchstaben im ersten Text verwaschen und unscharf, der Text ist anstrengend zu lesen. Die nächste Seite mit Text ist zwar besser zu lesen, allerdings verblassen die Buchstaben von Zeile zu Zeile, quasi als ob die Kraft mit jeder Zeile abnimmt, ein Sinnbild zum Umgang mit der tückischen Erkrankung Depression.
Die Herkunft des Fotografen aus der Mediengestaltung merkt man dem Buch direkt an. Viele kleine, liebevolle Elemente lockern das Layout auf. Das Impressum wird zu Credits und Notizen am Ende des Buches sind quasi ein „Behind-the-Scenes“. Wer dort aufmerksam liest, findet auch warum das Buch in Orange und Blau gestaltet wurde. Dies sind nämlich die Farben der U-Bahn-Linien U3 und U6 in München, die beide durch den früheren Postbezirk „München 70“ führen.
Fazit:
Dieses Buch hat mich auf mehreren Ebenen neugierig gemacht: rein optisch aufgrund der Farbwahl, der Haptik und des Layouts. Aber auch die Thematik des privaten und verordnen Lockdown durch Depression und Pandemie sprachen mich an. Den Umgang damit und die gewählten (Street-)Fotos regen zum Innehalten, und zum Teil zum schmunzeln an.
Podcast:
Im Podcast hatte ich die Gelegenheit ausführlich mit Martin Liebl über die Idee hinter dem Buch, den Umgang mit Depressionen und über seine weiteren Fotografie-Projekte zu sprechen.
Empfehlungen:
Oliver Raschka – The world ain’t enough (Amazon *)
Eckdaten zum Buch:
Hardcover in Soft-Touch-Cellophanierung
104 Seiten
Premium Bilderdruckpapier (170g/m2)
ca. 21 x 21 cm
42 €
Eigenverlag
1. Auflage – August 2021
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Martin hat mir freundlicherweise das Buch als Rezensionsexemplar zu gesandt, vielen Dank dafür!