Ein neuer Monat, also auch eine neue Folge der Fotobuch-Plauder-Ecke. Diesmal haben wir uns das Thema „Geheimtipp“ gestellt, also Bücher, die man vielleicht nicht unbedingt direkt auf dem Schirm hat, die sich aber lohnen, einmal genauer anzuschauen.
Florians Wahl fiel auf:
TTP
Hayahisa Tomiyasu
Mack – Verlag
Softcover mit Kunststoffhülle
20 x 27 cm
260 Seiten
Mai 2018
45 € Preis
ISBN 978-1-912339-24-2
Mehr dazu in seinem Blog.
Mein Geheimtipp ist ein Buch, welches schon lange sich in meinem Bücherschrank befindet, und bei dem ich es nie richtig geschafft habe, in der Fotobuch-Ecke zu würdigen. Es handelt sich um das Buch:
Nachtfahrt – Ein Taxi-Blues
Josef Śnobl
Emons – Verlag
Hardcover
18,6 x 22,7 cm
240 Seiten
Oktober 2019
25 € Preis (leider bereits vergriffen)
ISBN 978-3-7408-0684-2
Über den Fotografen:
Josef Śnobl wurde 1954 in Prag geboren. Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zog es ihn nach Deutschland, wo er ab 1981 Fotografie in Köln studierte und anschließend als freischaffender Fotograf arbeitete. Im Februar 2021 verstarb er im Alter von 67 Jahren in Köln. Seit Ende der 80er Jahre hat er über 25 Jahre zusätzlich als Taxifahrer in Köln seinen Lebensunterhalt verdient. Diese Erlebnissen waren die Grundlage für das heute vorgestellte Buch.
Über das Buch:
Wie bei einer ersten Begegnung mit einem Menschen ist der erste Eindruck auch bei einem Bildband oft entscheidend. Bei dem Buch „Nachtfahrt“ fällt einem beim ersten „in die Handnehmen“ direkt die besondere Haptik des Buches auf, der Umschlag fühlt sich samtigweich und dadurch sehr hochwertig an. Ein schwarz-weißes Foto ziert das Titelbild, der Name des Buches wirkt wie gestempelt auf dem Titel. Auffallend sind desweiteren die Kanten des Buches, die sämtlich in schwarz, passend zur Dunkelheit der Nacht, gehalten wurden. Insgesamt besteht das Buch aus 240 Seiten, die aus schwerem, schwarzen Fotokarton bestehen. Auf diesen Seiten sammelte Josef Śnobl Geschichten und Erlebnisse aus seiner 25-jährigen Tätigkeit als nächtlicher Taxifahrer. Er strukturiert die Ereignisse anhand von verschiedenen Themen, z. B. Tiere, Frauen, Männer und erzählt kapitelweise seine Erlebnisse der Nacht. Dabei sind die Geschichten zum Teil sehr intim, aber ohne irgendeinen Menschen bloßzustellen. Jede dieser Stories wird entsprechend bebildert. Josef Śnobl hat in seinem Alltag eine Kamera immer dabei gehabt und so ein fotografisches Tagebuch geführt, und natürlich hatte er auch immer auf seinen nächtlichen Taxifahrten eine kleine Olympus XA griffbereit. Laut eigenen Angaben hat er im Zuge seines Berufsleben etwa 15 dieser Kameras „verschlissen“. Da er die Taxifahrten immer in der Nacht durchführte, sind die Bilder, die er zeigt, auch vom nächtlichen Leben in Köln geprägt. Lange Verschlusszeit sorgen für eine Unschärfe, dadurch verschwimmen Gestalten und Häuser. Auch das Wetter mit oft Regen und der dunklen Stimmung der Nacht sorgen für ein melancholisches Gesamtbild. Passend dazu führt der Herausgeber auch eine Sammlung von verschiedenen melancholischen Musiktiteln bei, die man zu dem jeweiligen Kapitel hören kann. QR-Codes auf den Seiten verweisen zu Spotify und ermöglichen neben dem visuellen Betrachten des Buches auch ein akustisches Erlebnis.
Die überwiegende Anzahl an Bildern sind schwarz-weiß Aufnahmen, aus dem Taxi heraus aufgenommen. Einzelne Farbaufnahmen lockern das Gesamtkonzept auf. Herausheben möchte ich vielleicht eine Aufnahme einer Bahnschranke, die mit ihrem typischen rot-weißen Markierungen das untere Drittel eines Fotos kennzeichnet. Im darüber liegenden Drittel fährt ein roter Zug über die Schienen, durch die lange Belichtungszeit verschwimmt dieser in der Unschärfe. Diese Aufnahme, durch den gewählten Farbton, hebt sich von anderen Aufnahmen ab, die deutlich mehr die Dunkelheit, die Tristess und das Unheimliche der Nacht darstellen. Passend mit den dazugehörigen Geschichten aus dem Leben eines Taxifahrers von Zechprellern, betrunkenen Partygästen oder anderen, teils bizarren Begegnungen runden das Gesamterlebnis ab.
Trotz des rauen Fotokartons als Grundlage sind die Bilder hochwertig gedruckt und verleihen auch hier durch die Haptik den Bildern eine weitere Facette. Der Text im ungewöhnlichen Weiß auf schwarzem Untergrund lässt sich gut lesen. Lediglich das Nachwort des Herausgebers Reinhard Matz hebt sich von diesen Seiten ab, da es auf weißen Seiten in schwarzer Schrift geschrieben wurde.
Fazit:
Josef Śnobl nimmt uns mit dem Buch „Nachtfahrt – Ein Taxi-Blues“ in seine private Welt als Taxifahrer hinein, er dokumentiert die Erlebnisse aus 25 Jahren im Taxigeschäft, anhand von Geschichten, bebildert mit einem eigenen, durch die Nacht geprägten Bildstil. Mir gefällt an dem Buch, dass ich eine Welt kennenlerne, mit der ich mich sonst, wenn überhaupt, nur oberflächlich beschäftige und mir nicht vorstellen konnte, was alles in einem Taxi passiert. Außerdem mag ich es, dass er auf die Art und Weise einen Zeitraum von über 25 Jahren mit seiner Kamera festgehalten hat, und die Fotografie in seinen beruflichen Alltag mit einbauen konnte; eine Inspiration für vielleicht auch eigene fotografische Ideen.
Links:
Nachtfahrt (Amazon *)
TTP (Amazon*)
YouTube-Link: TTP Hayahisa Tomiyasu
@kriegundfreitag (Amazon *)
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Vielen Dank an den Emons-Verlag, die mir das Buch freundlicherweise zur Rezension zugesandt haben.
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