„Ein Fussballspiel dauert mehr als 90 Minuten, und es findet auch nicht nur auf dem Rasen statt.“
So schreibt der Journalist Stefan Hermanns im Vorwort des Bildbandes, den ich heute vorstellen möchte. Und er hat vermutlich recht, oder wie sonst kann man es erklären, dass man sich auch heute noch über ein Stadion unterhält, 20 Jahre nach dem letzten Spieltag dort und von dem heute beinahe nichts mehr zu erkennen ist. Der Bökelberg ist dieses Stadion. Am 22. Mai jährt sich das letzte Spiel zum 20. Mal: ein 3:1-Sieg der Borussia gegen 1860 München. Arie van Lent köpfte das letzte Tor in das Netz in „de Kull“ ein, bevor die Flutlichtmasten für immer ausgingen, und wenig später schlicht und ergreifend verschwunden waren.
Christoph Buckstegen hatte den richtigen Riecher, als er sich von seinem damaligen Wohnort Berlin an eben diesem Samstag auf den Weg in seine Heimat an der Niederrhein aufmachte, um diesen Tag auf Bildern festzuhalten. Entstanden ist der Bildband „Letzter Spieltag Bökelberg“! (Amazon *)
Über den Autor:
Christoph Buckstegen ist am nördlichen Niederrhein geboren und aufgewachsen. Nach einer Ausbildung zum Keramikmodelleur, folgte er seinem Traum von der Fotografie, studierte in Bielefeld Fotografie und lebt seit dem als Fotograf. Beinahe für jede große Zeitung wie die NY Times, die Süddeutsche und die Zeit hat er bereits veröffentlicht.
Durch seine Affinität zum Fussball findet man auch immer wieder seine Bilder in dem Magazin „11 Freunde“. Und auch dem aufmerksamen Leser dieses Blogs wird der Name hoffentlich geläufig sein, in der vierten Ausgabe der Plauder-Ecke stellte ich sein Buch „Flutlicher“ vor.
Aus dem Klappentext:
„Am letzten Samstag, zwei Minuten vor dem Abpfiff, erhoben wir uns alle und sangen: Steh auf für den Bökelberg. Blöd eigentlich. Aber unter Tränen. Dann pfiff der Schiri das Spiel ab.“
Christof Siemes
Über das Buch:
Bökelberg, ein Mythos weit über die Mönchengladbacher Stadtgrenzen hinaus bekannt. Der Titel dieses Bildband verrät direkt, worum es auf den folgenden rund 140 Seiten geht: „Letzter Spieltag Bökelberg“, als Bild dazu die markanten Flutlichtmasten im Hintergrund.
Christoph Buckstegen begleitete diesen Samstag, den 22.05.2004, mit seiner Kamera. Er zeigt das gesamte Spektrum an Fotografien rund um dieses besondere Spiel. So findet man Bilder vom Spiel selber: zum Beispiel auf der letzten Doppelseite den Moment, in dem das allerletzte Tor auf dem Bökelberg fällt, just der Moment, in dem der Ball das Tornetz maximal ausbuchtet und der Torwart, zu Boden sinkt. Aber, und das steht deutlich im Vordergrund von Buckstegens Fotografie, vorallem widmet sich der Fotograf den Fans, die zu diesem, für sie wichtigen Ereignis gekommen sind. Er zeigt die Menschenmengen auf den steilen Stehplatztribünen des Gladbacher Stadions, er zeigt die Menschen vor dem Stadion und auf dem Weg dorthin und er findet die kleinen Momente, die den Betrachter zum Schmunzeln bringen, wenn zum Beispiel gestandene Herren sich Cola-Kisten teilen, um einen Blick auf das Geschehen auf dem Rasen zu werfen. Andere Motive zeigen, warum der Bökelberg vermutlich keine Zukunft im modernen Fussball gehabt hätte. Sie zeigen die Enge durch die umgebenen Wohngebiete, die einen auf die Zukunft ausgerichteten Anbau / Neubau verhinderten, und welche Spuren die Scharen von Fussballfans in der Nachbarschaft hinterliessen, und die zurückgelassenen Bierdosen sind da nur das kleinste Übel.
Im Interview berichtet Christoph Buckstegen davon, dass er sehr frühzeitig am Stadion war, um möglichst diese Szenen einzufangen, und wie er während des Spiels die verschiedenen Motive „jagte“. Den Bildern sieht man dies an; sie entstanden aus einer gewissen Nähe, der Fotograf war mitten drin, als er auf den Auslöser drückte, war ein Teil dieser großen Fangemeinde. Desweiteren wechselten die Bilder von Schwarz-Weiss zu Farbe hin und her, je nachdem welcher Film gerade in seiner Kamera steckte. Das verwunderte mich zwar auf den ersten Blick, tut dem Betrachtungsgenuß jedoch keinen Abbruch, lockert das Blättern vielmehr auf. Bildtitel oder Erklärungen zu den Bildern muss man etwas suchen, am Ende des Buches hat Buckstegen einen Index beigefügt, in dem die Bilder auch noch einmal erläutert und die Protagonisten namentlich erwähnt werden, für alte Gladbach-Fans noch einmal ein Erinnern an alte Zeiten.
Hervorheben möchte ich ebenfalls die Texte, die im Buch am Anfang und Ende aufgeführt sind. Christoph Buckstegen hat ganz besondere Autoren gewinnen können: zum einen den bereits eingangs erwähnten Journalisten Stefans Hermanns, der die Borussia seit Kindesbeinen an verfolgt, und der für das Buch auch eine Gladbacher Legende für ein Interview gewinnen konnte: Günter Netzer. Desweiteren beschreibt der Journalist und Autor Christof Siemes seine Eindrücke vom letzten Spieltag. Auch wenn man den Namen vielleicht nicht direkt einordnen kann, so kennt man seinen Roman „Das Wunder von Bern“ (Amazon *), zumindest aus der Verfilmung mit Sönke Wortmann (Amazon *). Diese kurzen Begleittext ordnen das von Buckstegen Gezeigte auch noch einmal kurz ein
Das Format des Buches ist mit rund 17 x 22 xm für einen Bildband vielleicht etwas ungewöhnlich, allerdings sind die Fotos ausreichend gross zu betrachten, und man braucht auch nicht einen ganzen Kaffeetisch, um die Seiten zu blättern. Die Druckqualität ist wie bei anderen Werken aus dem Spielmacher-Verlag sehr gut, die Seiten und der Umschlag haben eine sehr angenehme Haptik.
Fazit:
In der Fotografie ist es oft wichtig den richtigen Moment einer Aufnahme abzupassen. Diesen Moment hat Christoph Buckstegen gut erkannt, als er sich im Mai 2004 von Berlin auf den Weg an den Niederrhein machte, als das letzte Heimspiel im legendären Bökelberg anstand. Seine Fotos sind Zeitzeugen von diesem Ereignis, von den Menschen, die daran teilnahmen und von dem Stadion, das heute nur noch in der Erinnerung weiterlebt. Auch oder gerade weil die Bilder nun schon 20 Jahre alt sind, wächst ihre Bedeutung stetig und versetzt -zumindest die Fussballromantiker unter uns- zurück in eine andere Welt. Die Fotos dokumentieren das Ereignis und die Emotion gleichermaßen und zeugen einmal mehr wie wichtig die Fotografie für den Erhalt der Erinnerung ist.
Alles in allem ist das Buch eine ideale Möglichkeit noch einmal zurückzukehren und den Hauch des Mythos Bökelberg und der Borussia vergangener Tage zu spüren.
Podcast:
Im Podcast hatte ich die Gelegenheit mit Christoph Buckstegen ausführlich über die Idee und Umsetzung des Buches zu sprechen. Auch sein Flutlichter-Bildband haben wir thematisch gestreift. Wenn Euch die Dokumentarfotografie am Beispiel Fußball interessiert, hört einfach gerne rein:
Empfehlungen:
Hoda Afshar – Speak The Wind (Amazon *)
Eckdaten:
Hardcover
Erscheinungsjahr 2013
144 Seiten – 65 Abbildungen
17 x 22cm
19,80 €
ISBN 978-3-95680-007-8
Links:
Amazon *
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Vielen Dank an den Spielmacher-Verlag, die mir ein Exemplar des Bildbandes freundlicherweise zur Rezension zur Verfügung gestellt haben.